jueves, 22. septiembre 2011
Schulzeitverkürzung - Das Meinungsbild am Gymnasium Osterbek
san.dra, 15:26h
Mittwoch, dritte Stunde, Mathematikunterricht: Einige Schüler starren zum Fenster hinaus. Es regnet und ist grau. Andere Schüler spielen mit ihren Stiften oder Papierschnipseln. Ein paar schauen nach vorne oder melden sich. Bei den meisten Schülern löst die Schulzeitverkürzung, die 2010 in Hamburg eingeführt wurde, Unmut aus. Auf die Frage was sie vom G8 hielte antwortet Nele (17 Jahre, Abiturjahrgang) vom Gymnasium Farmsen trocken: „Nicht viel“. Nathalie ist ebenfalls 17 und geht auf das Gymnasium Osterbek in Bramfeld. Auf die Frage stößt sie ein ironisches „super!“ aus. In den weiteren Ausführungen der Schülerinnen tauchen oft die Worte „Druck“, „zu wenig Zeit“ und „Stress“ auf. Die Schulzeit wurde verkürzt, die Lehrpläne nicht. Das stellt sowohl Schüler als auch Lehrer vor eine anstrengende Aufgabe. Der gleiche Stoff muss in kürzerer Zeit gelehrt und gelernt werden. Denn die meisten Oberstufenschüler wollen ihr Abitur nicht nur „schaffen“. Sie wollen einen guten Notendurchschnitt erreichen. Tina ist 17 Jahre alt und Schülerin der jetzigen Abiturklasse am Gymnasium Osterbek. Mittwochs steht sie um halb sieben auf. Um acht geht es in die Schule: Sport, Mathe, Deutsch und Kunst. Zwei Hauptfächer an einem Tag. Ihr Schultag endet nach acht Stunden um halb vier. Gegen vier Uhr ist sie zu Hause und sitz mit ihrere Familien am Esstisch um sich über den Tag auszutauschen. Doch viel Zeit bleibt nicht, um due Zeit mit der Familie zu genießen. Mittlerweilen ist es halb sechs und weil sie in den ersten beiden Stunden Sportunterricht hatte, braucht sie Zeit zum Duschen. Bis sie damit fertig ist und alles zum Hausaufgaben machen vorbereitet hat, ist es bereits halb sieben. Tina geht um 22 Uhr ins Bett, um ausgeruht für den nächsten Tag zu sein. So bleiben ihr noch zweieinhalb Stunden um Hausaufgaben zu machen, die Tagesschau zu gucken und sich bettfertig zu machen. Zeit für sich hat sie an Tagen wie Mittwoch nicht.
Jenny ist in derselben Stufe wie Tina. Am Donnerstag geht ihr Schultag um acht Uhr los und endet um halb sechs! Danach: Familie, Essen, Hausaufgaben. Neben der Schule müssen noch Hobbys, der Partner/die Partnerin, Sport, Familie, der Job oder die ehrenamtliche Tätigkeit untergebracht werden. Für die Oberstufenschüler addieren sich noch die Vorbereitungen für die Abireise und den Abiball, dazu. Für diese Ereignisse wurden Komitees zusammengestellt, in denen die Schüler sich um alle Vorbereitung kümmern, zusätzlich zur Schulzeit. Ganz zu schweigen von den Hausaufgaben und Abiturprüfungsvorbereitungen. Die meisten wollen nicht mehr Zeit, als unbedingt nötig in der Schule verbringen. Das zeigen auch die Mitgliederzahlen der Schülersprecherteams: 2008 engagierten sich 15 Schüler freiwillig als Schülersprecher und organisierten Fußballturniere und Sommerfeste. Im vergangenen Jahr war es weniger als die Hälfte. Nur noch 7 Schüler wirkten freiwillig mit. Nach der Aussage von Experten hat G8 dennoch Vorteile: Die Schüler würden besser auf das Leben auf dem Arbeitsmarkt vorbereitet, auf dem viel in kurzer Zeit geschafft werden müsse. Sie würden schneller selbstständig, bzw. müssen es werden, wenn sie mit 17 oder 18 Jahren ihr Abitur gemacht haben. Man solle schneller mit der Schule fertig werden, um schneller zu studieren und schneller auf dem Arbeitsmarkt zu gelangen. Leistung ist hier das Stichwort. Durch die Schulzeitverkürzung fehlt aber nicht nur ein Jahr, um zu lernen, um den Stoff aufzunehmen und zu verarbeiten. Es fehlt auch ein Jahr, um sich zu Orientieren. Das gilt sowohl für die persönliche Entwicklung als auch für die Gestaltung der eigenen Zukunft. Viele Schüler, die dieses Jahr ihr Abitur geschafft haben wissen noch nicht, was sie studieren oder werden wollen. Um das herauszufinden, legen einige ein freiwilliges soziales Jahr ein, machen Work and Travel oder ruhen sich erst einmal aus. Johanna hat dieses Jahr ihr Abitur gemacht und verbringt die ersten acht Monate, nach G8, in Schottland um als AuPair zu arbeiten. Auch sie ist sich noch nicht sicher, was sie machen möchte. Ihre Leidenschaft ist das Theater. Sie hat Schauspielunterricht genommen und bei den Musicals an ihrer Schule mitgespielt (Gymnasium Osterbek). Sie interessiert sich aber auch für Musik und würde gerne bei sozialen Projekten mitwirken. Konkretisieren konnte sie ihren Berufswunsch bisher nicht. Ihr Auslandsaufenthalt soll ihr dabei helfen.
Herr Raabe ist seit 1981 Lehrer am Gymnasium Osterbek. Er unterrichtet unter anderen das Fach Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, kurz PGW. Im fehle es vor allem an Zeit, den Schülern ausreichend Wissen auf den drei Gebieten zu vermitteln. Denn die Stundenzahl des PGW-Unterrichts wurde auf zwei Wochenstunden um die Hälfte reduziert. Torge Lorenzen unterrichtet Deutsch, PGW und Geschichte und ist mit der Schulzeitverkürzung unzufrieden. Er vertritt die Meinung, dass durch die Orientierungslosigkeit nach der Schule und das einlegen eines Orientierungsjahres, die Schüler insgesamt viel später auf den Arbeitsmarkt gelangen. Außerdem fehle es vielen Schülern an Reife, wenn sie ein Jahr früher in die Oberstufe eingestuft werden. So empfindet auch die Mutter einer Schülerin, die dieses Jahr ihr Abitur gemacht hat: „Die Schüler erkennen durch das fehlende Jahr den Ernst der Lage nicht. Ab dem ersten Semester in der Oberstufe zählt jede Note. Vorher hatten sie Zeit sich darauf einzustellen.“ Ihre Tochter ist rückblickend auch der Meinung, dass ein Jahr länger Oberstufe für sie sinnvoll gewesen wäre. Sie ist sich bis jetzt noch nicht sicher, was sie in ihrer Zukunft tun möchte. Das fehlende Jahr hätte ihr dabei geholfen sich zu orientieren.
Nele und Nathalie haben die Schule bald geschafft, wenn sie es schaffen, den Stoff, für den nun nicht mehr so viel Zeit bleibt, zu lernen und zu behalten. Schüler die etwas mehr Zeit zum Lernen und zum Orientieren brauchen, werden wohl nach der Schule das verlorene Jahr nachholen. Doch viel Zeit bleibt nicht, denn von den Jugendlichen würde erwartet, dass sie sich schnellst möglich einen Studien- oder Ausbildungsplatz suchten, so Lorenzen. Dann heißt es wieder Schulbank drücken und mit Papierschnipseln spielen.
Jenny ist in derselben Stufe wie Tina. Am Donnerstag geht ihr Schultag um acht Uhr los und endet um halb sechs! Danach: Familie, Essen, Hausaufgaben. Neben der Schule müssen noch Hobbys, der Partner/die Partnerin, Sport, Familie, der Job oder die ehrenamtliche Tätigkeit untergebracht werden. Für die Oberstufenschüler addieren sich noch die Vorbereitungen für die Abireise und den Abiball, dazu. Für diese Ereignisse wurden Komitees zusammengestellt, in denen die Schüler sich um alle Vorbereitung kümmern, zusätzlich zur Schulzeit. Ganz zu schweigen von den Hausaufgaben und Abiturprüfungsvorbereitungen. Die meisten wollen nicht mehr Zeit, als unbedingt nötig in der Schule verbringen. Das zeigen auch die Mitgliederzahlen der Schülersprecherteams: 2008 engagierten sich 15 Schüler freiwillig als Schülersprecher und organisierten Fußballturniere und Sommerfeste. Im vergangenen Jahr war es weniger als die Hälfte. Nur noch 7 Schüler wirkten freiwillig mit. Nach der Aussage von Experten hat G8 dennoch Vorteile: Die Schüler würden besser auf das Leben auf dem Arbeitsmarkt vorbereitet, auf dem viel in kurzer Zeit geschafft werden müsse. Sie würden schneller selbstständig, bzw. müssen es werden, wenn sie mit 17 oder 18 Jahren ihr Abitur gemacht haben. Man solle schneller mit der Schule fertig werden, um schneller zu studieren und schneller auf dem Arbeitsmarkt zu gelangen. Leistung ist hier das Stichwort. Durch die Schulzeitverkürzung fehlt aber nicht nur ein Jahr, um zu lernen, um den Stoff aufzunehmen und zu verarbeiten. Es fehlt auch ein Jahr, um sich zu Orientieren. Das gilt sowohl für die persönliche Entwicklung als auch für die Gestaltung der eigenen Zukunft. Viele Schüler, die dieses Jahr ihr Abitur geschafft haben wissen noch nicht, was sie studieren oder werden wollen. Um das herauszufinden, legen einige ein freiwilliges soziales Jahr ein, machen Work and Travel oder ruhen sich erst einmal aus. Johanna hat dieses Jahr ihr Abitur gemacht und verbringt die ersten acht Monate, nach G8, in Schottland um als AuPair zu arbeiten. Auch sie ist sich noch nicht sicher, was sie machen möchte. Ihre Leidenschaft ist das Theater. Sie hat Schauspielunterricht genommen und bei den Musicals an ihrer Schule mitgespielt (Gymnasium Osterbek). Sie interessiert sich aber auch für Musik und würde gerne bei sozialen Projekten mitwirken. Konkretisieren konnte sie ihren Berufswunsch bisher nicht. Ihr Auslandsaufenthalt soll ihr dabei helfen.
Herr Raabe ist seit 1981 Lehrer am Gymnasium Osterbek. Er unterrichtet unter anderen das Fach Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, kurz PGW. Im fehle es vor allem an Zeit, den Schülern ausreichend Wissen auf den drei Gebieten zu vermitteln. Denn die Stundenzahl des PGW-Unterrichts wurde auf zwei Wochenstunden um die Hälfte reduziert. Torge Lorenzen unterrichtet Deutsch, PGW und Geschichte und ist mit der Schulzeitverkürzung unzufrieden. Er vertritt die Meinung, dass durch die Orientierungslosigkeit nach der Schule und das einlegen eines Orientierungsjahres, die Schüler insgesamt viel später auf den Arbeitsmarkt gelangen. Außerdem fehle es vielen Schülern an Reife, wenn sie ein Jahr früher in die Oberstufe eingestuft werden. So empfindet auch die Mutter einer Schülerin, die dieses Jahr ihr Abitur gemacht hat: „Die Schüler erkennen durch das fehlende Jahr den Ernst der Lage nicht. Ab dem ersten Semester in der Oberstufe zählt jede Note. Vorher hatten sie Zeit sich darauf einzustellen.“ Ihre Tochter ist rückblickend auch der Meinung, dass ein Jahr länger Oberstufe für sie sinnvoll gewesen wäre. Sie ist sich bis jetzt noch nicht sicher, was sie in ihrer Zukunft tun möchte. Das fehlende Jahr hätte ihr dabei geholfen sich zu orientieren.
Nele und Nathalie haben die Schule bald geschafft, wenn sie es schaffen, den Stoff, für den nun nicht mehr so viel Zeit bleibt, zu lernen und zu behalten. Schüler die etwas mehr Zeit zum Lernen und zum Orientieren brauchen, werden wohl nach der Schule das verlorene Jahr nachholen. Doch viel Zeit bleibt nicht, denn von den Jugendlichen würde erwartet, dass sie sich schnellst möglich einen Studien- oder Ausbildungsplatz suchten, so Lorenzen. Dann heißt es wieder Schulbank drücken und mit Papierschnipseln spielen.
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